Regionale & saisonale Ernährung – im Gespräch mit Prof. Axt-Gadermann


Mit einer gesunden und ausgewogenen Ernährung können wir unserem Körper viel Gutes tun – ein Thema, welches auch in den KÖRPERWELTEN Ausstellungen nicht zu kurz kommt. Wir haben mit der Ärztin und Ernährungsexpertin Prof. Dr. Michaela Axt-Gadermann gesprochen und uns den ein oder anderen Tipp abgeholt…

Prof. Dr. Michaela Axt-Gadermann ist Ärztin und Professorin für Gesundheitsförderung an der Hochschule Coburg. Dort erforscht sie unter anderem die vielfältigen Zusammenhänge zwischen Darmbakterien und Gesundheit. 2016 hat sie das lizensierte Ernährungsprogramm „Schlank mit Darm“ entwickelt, das von den gesetzlichen Krankenkassen bezuschusst wird.

Stimmt es, dass eine abwechslungsreiche Ernährung, die gesündeste ist und wenn ja, warum?

Unser Körper benötigt rund ein Dutzend unterschiedlicher Vitamine und ähnlich viele Mineralstoffe und Spurenelemente. Hinzu kommen lebenswichtige Eiweißbausteine, viele Fettsäuren und Kohlenhydrate und tausende Pflanzenstoffe, die alle dafür sorgen, dass wir uns wohl fühlen, Krankheiten möglichst selten auftreten und wir unsere Leistungsfähigkeit auf einem hohen Niveau halten können. Im Optimalfall nehmen wir all diese Nährstoffe mit unserer Nahrung zu uns – nicht täglich alle, aber doch so regelmäßig, dass die Speicher immer gut gefüllt sind. Wenn ich mich auf Dauer sehr einseitig ernähre, entstehen Lücken in der Nährstoffversorgung. Da in unserem Körper viele Vorgänge wie Zahnräder ineinandergreifen, kann schon der Mangel an nur einem Vitamin weitreichende Folgen für unsere Gesundheit und auch unser Wohlbefinden haben.

Ich beschäftige mich inzwischen seit Jahrzehnten mit dem Thema Ernährung und habe zahlreiche Bücher dazu geschrieben (z.B. Schlank mit Darm oder Skin Food). Da unser Essen etwas höchst Emotionales ist und einen wichtigen Genussfaktor darstellt, halte ich nichts von strengen Ernährungsvorschriften. Kurzfristige Ernährungsumstellungen bringen wenig bis nichts. Im Idealfall sollte man sich dauerhaft gesund ernähren. Deshalb muss eine gesunde Ernährung vor allem schmecken, für jeden praktikabel sein und in das eigene Lebensumfeld passen.

Bietet in Ihren Augen eine saisonale Ernährung genügend Abwechslung? Worauf hat man dabei zu achten?

Ja, im Prinzip schon und man sollte wann immer möglich zu saisonalen Produkten greifen. Da aber sowieso viele Menschen nur noch selten kochen und die typischen „Wintergemüse“ wie Kohl, Steckrüben oder rote Beete nicht mögen oder keine Rezepte dazu kennen, kann durchaus auch immer mal wieder nichtsaisonales Gemüse auf den Tisch kommen. Eine gute und schnelle Alternative zu Frischkost ist tiefgekühltes Gemüse und Kräuter. Die kommen auch im Winter relativ frisch und nährstoffreich auf den Tisch.

Welchen Einfluss hat eine gesunde Ernährung auf unsere Psyche bzw. geht die Liebe wirklich durch unseren Magen?

Jeder weiß aus eigener Erfahrung, wie schön es ist, nach einem anstrengenden Tag etwas Leckeres zu essen und wie das nicht nur unserem Körper, sondern auch unserer Psyche guttut. Auf Dauer schützt eine ausgewogene und vielfältige Ernährung uns vor Depressionen, lindert Stress und verbessert die geistige Leistungsfähigkeit. Wenn wir uns gesund ernähren, dann liefert unser Essen zusammen mit den 100 Billionen Darmkeimen die Ausgangsstoffe, um Glücksbotenstoffe, Sättigungshormone oder Stresslinderer zu produzieren.

US-amerikanische Forscher haben in einer Untersuchung an über 70.000 Frauen herausgefunden, dass Süßigkeiten, Fast Food und Fertiggerichte nicht nur auf die Taille, sondern auch aufs Gemüt schlagen und das Risiko für Depressionen steigert. Und natürlich beeinflusst das, was wir essen, die Zusammensetzung der Darmbakterien – und die rühren dann auch noch ganz munter in unserer Psyche herum. Darmbakterien (zum Beispiel Lactobazillus reuteri) können auch die Bildung von Glückshormonen und von Oxytocin fördern. Oxytocin ist ein Hormon, das die Bindung zwischen zwei Menschen festigt. Wenn ich dadurch meinen Liebsten oder meine Liebste mit was Leckerem zu Essen auch noch glücklich machen kann, dann geht die Liebe wirklich auch durch den Magen.

 

Aber: Wenn wir Liebeskummer oder Stress im Job haben, dann hilft der Apfel nur bedingt. Dann darf es natürlich auch mal die Schokolade oder die Handvoll Chips sein, die man dann auch ohne schlechtes Gewissen futtern sollte. Solange der rote Faden in der Ernährung stimmt, müssen solche „Sünden“ auch mal drin sein.


Rückblick: Am 6. Februar 2018 stellte Prof. Axt-Gadermann ihr Buch »Schlau mit Darm« in dem KÖRPERWELTEN Museum in Heidelberg vor

Das Buch beschreibt, wie eng Darm und Kopf miteinander verbunden sind. Wir kennen alle im täglichen Sprachgebrauch die Verbindung von Bauch und Kopf. Sorgen schlagen uns auf den Magen, wir haben ein gutes Bauchgefühl oder ein Problem bereitet uns Bauchschmerzen. Was aber vielen unbekannt ist: Auch Depressionen und Ängste können ihren Ursprung im Darm haben. Unsere Darmflora hilft uns, Stress gut zu überstehen oder auch den Schlaf zu verbessern. Sie fördert die geistige Entwicklung und Kindern und hält uns auch im Alter länger fit. Kurzum: Der Darm und seine Bakterien tragen eine ganze Menge zu unserem Glück und Wohlbefinden bei. Inzwischen hat man aber auch herausgefunden, dass eine Störung der Darmflora bei ADHS, Autismus, Reizdarmsyndrom und Parkinson eine Rolle spielen kann. All diese Aspekte und noch mehr spreche ich in meinem Buch an und gebe auch Tipps, welche Bakterien bei bestimmten Problemen helfen.

Wie kam Ihre Zusammenarbeit mit der Ausstellung Körperwelten zu Stande?

Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit dem Thema Darmflora. Da unsere Darmbakterien auch unsere Psyche beeinflussen, Stress und Depressionen lindern können und sogar zur Produktion von Glückshormonen fähig sind, hat dieses Thema hervorragend zur Ausstellung „Anatomie des Glücks“ gepasst.

Was können Besucher der Ausstellung hinsichtlich dem Thema Ernährung dort erfahren?

Unser Körper ist etwas Wunderbares und Schützenswertes. Ich unterrichte an der Hochschule Coburg unter anderem auch Anatomie, Physiologie und Krankheitslehre und meine Studierenden wissen, dass ich sehr häufig ins Schwärmen gerate, wenn ich erkläre, wie präzise und clever unser Organismus arbeitet und das oft Jahrzehnte lang ohne „Wartung“.

Die Körperwelten Ausstellung gewährt Laien wie Experten Einblicke in das Wunderwerk Mensch. Und trägt meiner Meinung nach auch dazu bei, dass wir lernen, unseren Körper als etwas Besonderes wahrzunehmen und uns besser um ihn kümmern. Die Ernährung spielt dabei eine ganz wichtige Rolle. Die Ausstellung zeigt nicht nur, was passiert, wenn wir uns schlecht ernähren (Fettschicht des Körpers, Fettleber, Herzinfarkt), sondern zeigt zum Beispiel auch sehr anschaulich die Einflüsse des Lebensstils auf Vitalität und den Alterungsprozess. Ich habe in der Vergangenheit schon öfters Körperwelten-Ausstellungen mit meinen Studierenden besucht und die waren fast ausnahmslos sehr begeistert.

Überblick der von Prof. Axt-Gadermann veröffentlichten Bücher:

       

Weiterführende Information zu Darmgesundheit, Darmflora und Darmbakterien finden Sie auf der Webseite von Prof. Dr. Michaela Axt-Gadermann unter: https://schlank-mit-darm.de/