Dem Glück ganz nah! Besucher können im Körperwelten Museum in Heidelberg nicht nur der Anatomie des menschlichen Körpers, sondern auch der Anatomie des Glücks auf die Spur kommen. Sie erfahren wie und wo das Glück im Körper entsteht. Im Interview mit Glücksministerin Gina Schöler haben wir nachgefragt: Wie funktioniert das denn mit dem Glücklichsein? Gina leitet die bundesweite Initiative „Ministerium für Glück und Wohlbefinden“ und will mit bunten Aktionen und Angeboten wie Workshops und Vorträgen dazu aufzurufen, aktiv zu werden und gemeinsam das Bruttonationalglück zu erarbeiten. Alltagsnah, auf Augenhöhe und mit viel Spaß lädt sie dazu ein, Teil dieser positiven Bewegung zu werden. Auf vielfältige und kreative Weise regt sie zum Umdenken und Handeln an: Wie wollen wir leben? Was zählt wirklich und was macht uns glücklich?
Ned babbeln, mache – Als waschechte „Monnemerin“, Macherin und leidenschaftliche Weltverbesserin hat sie sich ihren eigenen Beruf erfunden: Glücksministerin.
Kannst du dich kurz vorstellen?
Ich bin ein Dickkopf, eine echte Schöler. Schon als Teenager wusste ich, dass ich nicht den normalen Weg gehen, sondern Neues entdecken möchte. Ich bin eine Frohnatur, Frühaufsteherin, Energiebündel – habe chronisch Hummeln im Hintern. Lebemensch, Fragenstellerin, Schlemmertante: Ich will’s wissen, hinterfrage, genieße und gebe gerne weiter. Weil ich allergisch bin gegen den Spruch „Macht man halt so.“ kam es mir nur recht, dass während meines Masterstudiums in Kommunikationsdesign das Glück in mein Leben trat und eben dieses auf den Kopf stellte. Ned babbeln, mache – Als waschechte „Monnemerin“, Macherin und leidenschaftliche Weltverbesserin habe ich mir also meinen eigenen Beruf erfunden. Glücksministerin. Seit 2012 führe ich die Initiative „Ministerium für Glück und Wohlbefinden“ als interaktives Kunstprojekt und multimediale Kampagne und bin europaweit unterwegs, um mit den Menschen zusammen auf kreative Weise das Bruttonationalglück zu erarbeiten. Alltagsnah, auf Augenhöhe und mit viel Spaß lade ich dazu ein, Teil einer positiven Bewegung zu werden. Mit bunten Aktionen und Angeboten wie Workshops, Impulsvorträgen, Events, Coaching oder Street Art rege ich zum Umdenken und Handeln an: Wie wollen wir leben? Was zählt wirklich und was macht uns glücklich?
Wie kamst du dazu ein Ministerium für Glück und Wohlbefinden zu gründen?
Entstanden ist die Idee 2012 an der Hochschule Mannheim, Fakultät für Gestaltung, Masterstudiengang Kommunikationsdesign im Fach „Transmediale, integrierte Kommunikation“ bei Prof. Axel Kolaschnik. Als Semesteraufgabe galt es, eine Kampagne zu skizzieren, die in unserer Gesellschaft einen Wertewandel initiiert, gestaltet und begleitet: Wohin entwickelt sich unsere Gesellschaft? Aus ökologischer und sozialer Sicht kann es so wie es läuft, nicht nachhaltig weitergehen. Die Unzufriedenheit wächst, soziale Ungerechtigkeit macht sich breit und die Ressourcen werden knapper, wenn unser Motto weiterhin heißt: „Höher, schneller, weiter“
Wir müssen uns also wieder auf das Wesentliche besinnen. Anhand der kreativen und kommunikativen Fähigkeiten sollte auf breiter medialer Ebene die Frage nach dem guten Leben gestellt und die entstehende Diskussion moderiert werden. Diese Kampagne bildet eine Art Plattform, die den Menschen die Möglichkeit zur offenen Kommunikation bietet, um Ideen und Konzepte zu entwickeln und Wünsche zu äußern. Wie wollen wir leben und was zählt wirklich? Bei der gemeinsamen Ideenfindung kamen wir auf das Land Bhutan, welches mit der Erhebung des Bruttonationalglücks eine große Inspiration war. Es ist eines von wenigen Ländern, die ein nicht wachstumorientiertes Wirtschaftsmodell haben, sondern die Zufriedenheit der Bevölkerung als Maß politischen Handelns sieht.
Wieso gibt es das hier noch nicht? Warum zählen hier ganz andere Dinge wie Leistung, Erfolg, materieller Wohlstand und Wachstum? Sind nicht eigentlich ganz andere Dinge wichtig? Warum wird „Wohlstand“ nicht am Wohlbefinden der Bevölkerung gemessen? Und wer ist für unser Wohlbefinden verantwortlich? So entstand die provokative Metapher des „Ministeriums“, anhand der die Frage nach dem Glück und dem guten Leben gestellt und zu einem zivilgesellschaftlichen Diskurs angeregt wird.
Schnell war klar: Wir brauchen ein Ministerium für Glück und Wohlbefinden, um eine neue Bewegung und ein neues Bewusstsein ins Leben zu rufen und anhand dieses Sinnbildes die wichtigen Fragen zu kommunizieren: Was ist gutes Leben und wie können wir es selbst in die Hand nehmen? Das Semester war schnell vorbei, aber das Thema hatte mich gepackt und sehr fasziniert, ich sah nicht nur unfassbar viele Möglichkeiten, sondern vor allem auch tiefen Sinn darin. Also entschloss ich mich, gemeinsam mit meinem Kommilitonen Daniel Clarens das Projekt als Masterthesis weiter auszuarbeiten: Eine Dokumentation der transmedialen Kommunikationskampagne „Ministerium für Glück und Wohlbefinden“, welche im Oktober 2013 sehr erfolgreich abgeschlossen wurde.
Nach wie vor war ich damals voller Tatendrang, hatte noch unglaublich viele Ideen und Visionen. Ich wollte das Ministerium für Glück und Wohlbefinden weiterführen, diese Initiative wachsen lassen und mit Leben füllen. Also erfand ich 2013 meinen eigenen Beruf als „Glücksministerin“ und bin seitdem in glücklicher Mission unterwegs.
Was zählt zu den Aufgaben einer Glücksministerin? Was ist das Ziel Deiner Arbeit?
Mein Arbeitsalltag sieht immer wieder anders aus und ist kaum zu beschreiben: Spannende Kooperationen mit Experten und Glückswissenschaftlern, freche Street Art Aktionen, Flashmobs, Kinoabende, Impulsvorträge, Diskussionsrunden, Straßenumfragen, bundesweite und interaktive Aktionen, Glücksworkshops an Schulen, offene Workshops wie „redesign YOU“, für die Leute aus ganz Deutschland und sogar aus der Schweiz anreisen, firmeninterne Events und Weiterbildungen, tausende Mails und Briefe von begeisterten Fans, Einladungen in den Bundestag, Workshops, Vorträge und Ausstellungen in Österreich, Schweiz, Italien und Luxemburg und es war sogar extra wegen dieses Projekts eine 50-köpfige Delegation des „Crown Property Bureau“ aus Thailand hier in Deutschland, um mehr von dieser Initiative zu erfahren.
Der Arbeitsalltag einer Glücksministerin ist also so bunt und so abwechslungsreich wie das Leben selbst.
Das Ziel ist klar: So viele Menschen wie möglich erreichen und zu Themen wie Glück, Zufriedenheit, Lebensgestaltung und seelische Gesundheit inspirieren. Dazu nutze ich die unterschiedlichsten Formate, Medien und Veranstaltungen.
03.07.2013 – Workshop Carl Benz Gynasium / Mannheim / Ministerium fuer Glueck / Was macht dich gluecklich / Konrad Adenauer Stiftung – Foto: Daniel Clarens
Was macht dir besonders Freude an Deinem Job?
Ich liebe es, mit Menschen im Austausch zu sein. Etwas zu bewegen, zu verändern. Ich liebe es auch, meine kreative Ader auszuleben und mir die unterschiedlichsten Materialien, Merchandise-Artikel, Event-Formate oder Aktionen auszudenken, die den Leuten Spaß machen und die Lust darauf machen, selbst Teil der Bewegung und somit Glücksbotschafter zu werden. Ich liebe es, mit unterschiedlichen Leuten zusammenzuarbeiten. Man kann die Welt nicht alleine retten, deshalb finde ich es toll, wenn gemeinsam Ideen gesponnen werden, die nachhaltig etwas bewirken. Gerade auf Events und in Workshops finde ich es sehr faszinierend und berührend, den Werdegang der Teilnehmer zu sehen und sie zu beobachten. Sie kommen mit einer Frage, einem Problem, bekommen Impulse und Aufgaben und plötzlich sprudeln sie. Es steckt in ihnen, man muss es nur rauskitzeln und das macht mir enorm viel Spaß!
Was braucht es in Deinen Augen um glücklich zu sein? Gibt es eine Art Master-Formel?
Als Glücksministerin werde ich fast täglich nach der geheimen Formel für das große Glück gefragt. Nun ist es so, dass ich viel lieber Fragen stelle anstatt Antworten zu geben und die Menschen auf kreative Weise herausfordern möchte, ihr ganz individuelles Glücksrezept herauszufinden. Erkenntnisse aus der Glücksforschung und der Positiven Psychologie gibt es sehr viele interessante. Doch so richtig spannend wird es – meiner Meinung nach – wenn man beginnt, diese in die Tat umzusetzen und in den ganz eigenen Alltag zu integrieren. Wenn man für sich selbst herausfindet, was einem gut tut und was man verstärken möchte, kann dies Wunder bewirken und: Glücklich machen.
Im Laufe der Zeit habe ich viel über das Glück gelernt und meine ganz eigenen Erkenntnisse gewonnen. Daraus hat sich tatsächlich so etwas wie eine Glücksformel entwickelt, die ich im folgenden gerne erläutern möchte:
Glück = Eine Portion Mut + Bereitschaft und Offenheit (für Veränderung) + unterstützende Lieblingsmenschen + große Neugierde
Glück:
Dies ist ein Begriff, der immer für Gesprächsstoff sorgt. Was genau ist gemeint? Der Glücksmoment, das Zufallsglück, der Sinn des Lebens?
Für mich ganz klar in diesem Fall: Das gute Leben, meine Zufriedenheit, mein Wohlbefinden.
Portion Mut:
Die Komfortzone ist wunderbar! Gemütlich, warm, sicher. Langweilig? Das „wahre Leben“, die besonderen Glücksmomente und die großen Aha-Erlebnisse warten aber meistens (nicht immer!) außerhalb dieser Zone. Sich selbst da raus zu manövrieren ist nicht immer leicht und so manches Mal erscheint es schier unmöglich. Da braucht es oft Mut, den ersten Schritt zu wagen: Den eigenen Schweinehund überlisten, sich selbst und anderen etwas beweisen und für Überraschungen im eigenen Leben sorgen. Wünsche und Träume ernst nehmen oder gar äußern? Auf andere Menschen offen zugehen? Ehrlich meine Meinung sagen? Aus der täglichen Routine ausbrechen? Vergiss es. Oder doch…? Vielleicht traue ich mich ja und nehme all meinen Mut zusammen. Es lohnt sich!
Bereitschaft und Offenheit für Veränderung:
Glück bedeutet für mich Bewegung. Im Sinne von Veränderung. Alles ist im Wandel, im Fluss.
Das Glück besteht darin, dies anzunehmen und im Positiven für sich zu nutzen.
Das bedeutet auch, Chancen zu erkennen und bereit sein, sie wahrzunehmen.
Unterstützende Lieblingsmenschen:
Klar sollte man sein eigenes Glück nicht von äußeren Faktoren abhängig machen. Auch nicht von anderen Menschen. Dennoch ist es förderlich, sich genau zu überlegen, mit wem man sich umgibt, wie man seine Ressourcen einsetzt und seine kostbare Zeit verbringt.
Es gibt sie: Die Energievampire. Die einem den letzten Nerv rauben, Schnappatmung verursachen oder einfach traurig machen. Aber auf der anderen Seite gibt es eben auch diejenigen, die einem echt gut tun. Die die richtigen Fragen stellen, Antworten wissen oder manchmal auch einfach nur schweigend zuhören und einen in die Arme nehmen. Die mit anpacken und aus all den Steinen, die das Leben einem so manches Mal in den Weg rollt, etwas Wunderbares bauen. Menschen, die mit viel Verständnis, Vertrauen und ein bisschen Verrücktheit zusammen mit einem selbst das Leben meistern und es zu etwas ganz Besonderem machen. Konzentriere dich auf sie und mache sie zu deinen ganz persönlichen Glücksbotschaftern!
Große Neugierde:
Bleiben wir auf den eingetretenen, aber meist sicheren Pfaden voller “Macht man halt”s und “Ist schon immer so”s oder wagen wir es, unsere eigenen Wege zu gehen, neue Richtungen einzuschlagen und damit vielleicht auch etwas zu riskieren, aber nur, um ebenso auch etwas gewinnen zu können? Klar, kann es sein, dass man sich verirrt, in einer Sackgasse landet oder der Weg steinig wird, aber nur so kann man Neues entdecken, sich selbst herausfordern und – finden?
Ob diese Formel nur auf mich persönlich zutrifft oder allgemein gültig ist, muss wohl jeder für sich selbst herausfinden!
Was war das schönste Feedback bzw. Erlebnis, das du als Glücksministerin erhalten hast?
Eine Frau hat erzählt, dass sie durch die ganzen Impulse, die sie durch das Projekt bekommen hat, ihren Job gekündigt hat. Sie war bei einer Beraterfirma und hat jetzt umgeschult zur Seniorenbegleiterin. Da verdient sie nur einen Bruchteil von dem, was sie vorher verdient hat. Aber sie ist so froh, dass sie diese Aufgabe hat und dass da so viel Sinn dahinter steckt und dass sie so viel zurückbekommt. Erst war ich ganz schön perplex, dass jemand wegen mir seinen Job kündigt.
Und das kommt sehr oft vor: Nebenwirkungen von ministerialen Events, Aktionen und Impulsen können Weltreisen, Liebeserklärungen, neue Sichtweisen oder unverhoffte Begegnungen sein – lasst euch überraschen! Und genau deswegen liebe ich meinen Job auch so, es ist immer anders, immer spannend und ich darf auf meine Weise Menschen begegnen und sie berühren. Das ist das schönste Feedback, was man erhalten kann.
Im KÖRPERWELTEN Museum in Heidelberg kann man lernen, wo und wie das Glück im Körper entsteht. Was ist Dir bei Deinem Besuch besonders in Erinnerung geblieben oder was hat der Besuch Dir bewusst gemacht?
Ich liebe Interaktion und deswegen finde ich das Körperwelten Museum in Heidelberg auch so spannend. Man kann schauen, staunen, lesen, mitmachen. Viele Erkenntnisse aus der Glücksforschung kannte ich durch meine Arbeit bereits, aber einige waren auch neu, das freut mich natürlich sehr! Besonders spannend fand ich den Bereich, wo man die Emotionen anhand des Gesichtsausdrucks messen lassen konnte!
Was macht Dich persönlich glücklich?
Verbundenheit.
Mit sich selbst, seinen Mitmenschen und der Umwelt verbunden zu sein bedeutet Selbstfürsorge, Gemeinschaft und Achtsamkeit – wichtige Bausteine für das Glück.
Macht Schokolade eigentlich wirklich glücklich?
Temporär sicherlich. In Maßen oder Massen?
Das Land Bhutan misst das Bruttonationalglück. Könntest Du Dir ein solches Modell auch für Deutschland vorstellen?
Ich denke nicht, dass wir 1:1 das bhutanische Modell hier umsetzen könnten, da gibt es doch einige kulturelle, strukturelle und politische Unterschiede. Aber natürlich ist es wichtig, den Fokus auf die wichtigen Dinge zu setzen und das ist das Wohlbefinden von Menschen, Tieren und der Umwelt. Und danach sollte man immer handeln. Deshalb wäre es gut, wenn es eine Instanz gäbe, die dies im Blick hat, fördert und dazu inspiriert.Es gab ja bereits Ansätze der Regierung dazu, so z.B. die Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ oder auch die Regierungsstrategie „Gut leben in Deutschland“, im Rahmen derer ich u.a. mit dem damaligen Justizminister Heiko Maas unterwegs auf Deutschlandtour war.